Leben und sterben lassen

Vor einiger Zeit hatte ich diesen Einsatz, kam aber bisher nicht dazu, ihn aufzuschreiben. Er soll das ethische Dilemma verdeutlichen, in dem Rettungskräfte (oder vor allem Notärzte, da die Handlung für nicht-Ärzte genau vorgegeben ist).

Wir wurden alarmiert zu einem Krampfanfall in eine eher dörflich geprägte Gegend. Vor Ort stellten wir fest, dass der Patient immer noch krampfte. Nach kurzer Zeit ging das Ganze in die sogenannte Nachschlafphase über, eine Art Bewusstlosigkeit. Da der Patient aus dieser aber nicht zu erwecken war, alarmierten wir einen Notarzt nach. Dieser kam auch recht zügig dazu.

Mit etwas Detektivarbeit bei den Angehörigen stellten wir fest, dass der schon ältere Patient seine Frau vor kurzem verloren hatte und bisher nie gekrampft hat. Da er Blutverdünner nahm und auch das drumherum passte, kam der Notarzt auf die Verdachtsdiagnose „Hirnblutung“. Diese Art Schlaganfall geht einher mit einer massiven Einblutung in das Gehirn und daraus folgend eine deutliche Abnahme des Bewusstseins.

Im Team diskutierten wir das weitere Vorgehen. Der Patient war zwar nicht wirklich kreislaufstabil und es gab die Indikation einer Intubation, aber der Notarzt entschied sich dagegen, um den Patienten bei einer tatsächlich vorliegenden Hirnblutung sterben lassen zu können. Wir fuhren also zügig ins Krankenhaus; unterwegs bekam der Patient noch einen weiteren Zugang gelegt (zusätzlich zu dem in der Wohnung gelegten).

Im Krankenhaus bewahrheitete sich die Erstdiagnose des Notarztes im Computertomographen; der Patient hatte tatsächlich eine massive Einblutung in der linken Hirnhälfte. Nach kurzer Beratschlagung der Krankenhausärzte lies man diesen Patienten sterben.

Vermutlich wäre es egal gewesen, was wir vor Ort unternommen hätten, der Patient wäre an diesem Krankheitsbild früher oder später gestorben. Der Notarzt hat sich hier für die Variante „eher früher und weniger leidend“ entschieden, indem er eine Intubation verhinderte und nur eine Schmerzmedikation gab. Vor Ort ist so etwas aber immer schwierig zu entscheiden, da man nur wenige Minuten oder Sekunden hat, um das für sich klar zu machen.

Als nicht-Ärzte hätten wir anderen alle Maßnahmen ergreifen müssen, um das Leben zu retten zu versuchen.