Sturz am morgen?

Manchmal bringt das Arbeiten im Rettungsdienst schon ganz amüsante Stilblüten mit sich. In einer meiner letzen Schichten auf dem Rettungswagen gab es mal wieder den Klassiker: „Flüsterpost“.

Wir bekamen so gegen Ende der Schicht einen Alarm auf den Melder: „Sturz, normale Fahrt“. Dies bedeutet für uns also, dass kein lebensbedrohlicher Notfall vorliegt, aber man in absehbarer Zeit vor Ort vorbeischauen sollte. Für die Leitstelle heißt es, dass der nächste Rettungswagen zu schicken ist. Wir sind also zügig ins Auto und haben den Einsatz übernommen. Kurz darauf klingelt das Diensthandy. Anrufer: Unsere Rettungsleitstelle. Meinem Kollegen wurde vom Disponenten mitgeteilt, dass die Patientin wohl gestern Abend gestürzt sei und seitdem auf dem Boden läge. Allerdings wäre es auch etwas unklar, da der Bruder der Dame aus Hamburg den Notruf gewählt hat. Dieser hätte morgens mit der Haushaltshilfe telefoniert und diese hätte ihm das erzählt. Sie würde auch gleich zur Wohnung kommen, um uns die Türe zu öffnen.

Zwei Fragen kamen dem Kollegen und mir in den Kopf: 1. Warum ruft er erst jetzt nachts den Notruf? 2. Warum hat die Haushaltshilfe nichts unternommen?

Als wir an der gemeldeten Adresse ankamen, war die Tür schon offen. Die Haushaltshilfe kam wohl vor uns an. Gespannt auf das, was uns erwarten würde, betraten wir den Flur der Wohnung. Sofort wurden wir ins Wohnzimmer gebeten. Dort lag die Dame des Hauses auf dem Sofa und war sichtlich erfreut über unser Erscheinen. „Warum lag sie auf dem Sofa?“, schoss es mir durch den Kopf. Wir starteten also unsere Befunderhebung. Ich baute unsere Geräte an die Dame um die Vitalwerte zu erfassen, mein Kollege befragte sie.

Was also geschehen war: Der guten Frau ging es nicht gut, sie hatte sich wohl einen Infekt eingefangen und deshalb hatte sie abends keine Lust mehr, ins Bett zu gehen geschweige denn, sich umzuziehen. Morgens kam die Haushaltshilfe und fand die Frau vor, besorgt wie sie war, rief sie den Bruder an. Der Bruder wollte seine Schwester auch schon seit ein paar Tagen anrufen, hatte sie aber nicht erreicht. Von der, ihrem Akzent nach zu urteilen, osteuropäischen Frau erfuhr er, dass sie schon länger liegen würde. Irgendwas scheint bei dieser Kommunikation nicht geklappt zu haben, und so wurde ein Rettungseinsatz für uns daraus.

Wir konnten die Situation aufklären und die Dame einem Arzt zuführen, sprich die Hausarztvertretung bestellen, die sich um solche Infekte ärztlich kümmert, wenn der Hausarzt nachts geschlossen hat. Der Bruder kam trotzdem am nächsten Tag zu seiner Schwester um sie zu Pflegen und zu Unterstützen während der Erkrankung.